Ton. Bei dem Wort denken die meisten erstmal an Musik, an Noten. Aber auch in der Linguistik spielen Töne eine Rolle.
Was ist Ton?
Als Ton wird in der Linguistik das Phänomen bezeichnet, bei dem die lexikalische Bedeutung eines Worts durch eine Variation der Tonhöhe einzelner Silben verändert wird, z.B. im Thai [náː] „Tante“ vs. [nàː] „Spitzname“. Die diakritischen Zeichen auf dem Vokal stehen in dem Fall für einen Hochton (á) bzw. Tiefton (à). In den meisten Sprachen sind Vokale die tontragenden Segmente einer Silbe, d.h. der Vokal ist derjenige Teil der Silbe, der in die Höhe, Tiefe und Länge gezogen wird, um den entsprechenden Ton richtig zu artikulieren. Mehr dazu gleich.
Ton kommt in vielen Sprachen der Welt vor, das bekannteste Beispiel für eine Tonsprache ist vermutlich Chinesisch, aber auch viele afrikanische und indianische Sprachen haben Ton. Die meisten indogermanischen Sprachen weisen keine Töne auf – obwohl es manchmal im Deutschen vielleicht gar nicht so schlecht wäre. Mithilfe von Ton könnten wir unterscheiden, ob wir mit „Bank“ die Sitzgelegenheit oder das Geldinstitut meinen. Z.B. so: „Bánk“ mit Hochton für Sitzen, „Bànk“ mit Tiefton für Institution. Das wär doch mal eine Idee …
Ton vs Intonation
Wir als Sprecher des Deutschen haben vielleicht kein Tonsystem, mit dessen Hilfe wir Wörter in ihrer lexikalischen Bedeutung unterscheiden (s. Beispiele oben), aber Tonhöhenunterschiede spielen trotzdem innerhalb eines Diskurses eine Rolle. So kann das Wort „Conlang“ zwei ganz unterschiedliche Tonhöhenverläufe haben, je nachdem, ob es sich um die Antwort auf eine Frage oder eine Frage selbst handelt:
Das linke Beispiel kann als Antwort auf die Frage gesehen werden: „Was ist der englische Begriff für Kunstsprache?“ – „Conlang.“ Der Tonhöhenverlauf ist abfallend von hoch zu tief.
Im rechten Beispiel ist die Intonation eine andere: „Conlang? Ist das der englische Ausdruck?“ Hier steigt die Tonhöhe zum Ende des Wortes an.
Intonation verändert nicht die Bedeutung des Wortes selbst, wie Ton es tut, sondern fügt dem Wort eine Bedeutung innerhalb des Diskurses hinzu.
Tonarten
Die Linguistik unterscheidet zwei Arten von Tönen, zum einen Registertöne, die auf einer einzigen Tonhöhe bleiben, zum anderen Konturtöne, die verschiedene Verlaufsformen haben.
Registertöne sind zum einen der Hochton (á), der auf einer etwas höheren Stimmlage liegt, der Tiefton (à), der in jedem Fall tiefer liegt als der Hochton, und den Mittelton (ā), der (falls es ihn in der Sprache gibt) zwischen Hoch- und Tiefton zu verorten ist. Die meisten Sprachen mit Registertonsystem weisen nur die kontrastierenden Hoch- und Tieftöne auf (Thai, Schona), aber es gibt auch einige mit den dreien (Nupe) und sogar Sprachen, in denen es mehr Tonhöhenkontraste gibt.
Die typischen Konturtöne sind steigend (ǎ) und fallend (â). Bei einem steigenden Konturton wird die Tonhöhe innerhalb der Silbe angehoben, von Tief zu Hoch (z.B. Chinesisch [mǎ] „Hanf“), was die Silbe so klingen lässt, als würde man eine Frage stellen. Der fallende Konturton beginnt mit einem Hochton und endet auf einen Tiefton (z.B. Chinesisch [mâ] „schimpfen“), was die Silbe fast energisch klingen lässt.
Es gibt aber noch weitere Konturtöne, wie z.B. den steigend-fallenden, der zunächst ansteigt in einen Hochton und dann wieder abfällt.
In den Sprachen der Welt gilt erwiesenermaßen die Regel, dass eine Sprache, die Konturtöne aufweist, immer auch Registertöne hat. Vielleicht also mal interessant, eine Conlang zu entwickeln, die nur Konturtöne, aber keine Registertöne hat …
Morphologischer vs Phonologischer Ton
Bis jetzt haben wir uns nur Beispiele für Tonsprachen angeschaut, in denen Ton eine lexikalische Funktion hat, mit deren Hilfe Wörter unterschieden werden. Aber es gibt auch viele Tonsprachen, in denen Ton auf eine andere Art angewendet wird, nämlich ‚grammatisch‘.
Sehen wir uns ein Beispiel aus dem Arassyanischen an, aus meiner Kunstsprache, die ich im Rahmen der Bachelorarbeit entwickelte.
1) Beranaf doronak „Beran geht.“
2) Beranaf dóronak „Beran wird gehen.“
Beide Sätze sind bis auf den Hochton im zweiten Satz völlig identisch.
Schauen wir uns jedoch die Übersetzungen dazu an, wird klar, dass der erste Satz eine Handlung im Präsens ausgedrückt, während der zweite Satz auf eine Handlung verweist, die erst in der Zukunft stattfinden wird.
Der Hochton auf der ersten Silbe des Verbs (hier doron „gehen“) macht im Arassyanischen aus einem Verb im Präsens ein Futurverb.
Man kann aber mit Tönen auch eine ganze Reihe anderer Sachen machen. Beispielsweise könnte mit Hochton auch das Subjekt eines Satzes markiert werden und mit Tiefton das Objekt:
„Káren sieht Clàudia“
Hier ist die Position von Subjekt (Karen) und Objekt (Claudia) so, wie wir sie aus dem Deutschen kennen. Aber mithilfe der Töne könnten wir das Ganze jetzt auch umdrehen:
„Clàudia sieht Káren“
Der Hochton markiert uns immer noch, wer Subjekt ist, also wer der „Sehende“ ist, nämlich Karen. Claudia, obwohl sie am Satzanfang steht, ist das Objekt, das von Karen gesehen wird, weil sie den Tiefton trägt.
Und wie sieht es hier aus?
„Káren gibt Martin Clàudia“
„Clàudia gibt Káren Martin“
„Martin gibt Clàudia Káren“
usw.
Dank des Tons können wir in jedem dieser (zugegeben etwas seltsamen) Sätze eindeutig festlegen, wer hier wem was gibt? Ist das nicht praktisch? Wir brauchen nicht mal mehr Fälle:
„Buch gibt Màus Kátze“
Wäre jedenfalls in diesem Szenario ein grammatisch korrekter Satz …
Ihr seht, Ton ist nicht nur darauf beschränkt, uns unterscheiden zu lassen zwischen „Hanf“ und „schimpfen“, sondern kann auch auf ganz andere Arten und Weisen eingesetzt werden. Beim Conlanging ist alles erlaubt.
Und ja, ehe ihr euch wundert, es gibt auch natürliche Sprachen mit morphologischem Ton, z.B. der Bantusprache Schona.
Darstellungen von Ton
Im IPA, dem internationalen phonetischen Alphabet, kann man Ton auf verschiedene Arten darstellen. Bisher habe ich euch nur die eine Art vorgestellt, aber ich möchte euch noch die alternativen diakritischen Zeichen zeigen, weil es euch passieren kann, dass ihr doch mal darüber stolpern könntet, und weil ihr so auch die Gelegenheit habt, euch auszusuchen, welche Notation ihr innerhalb eurer Conlang lieber verwenden wollt.
Anhand des Vokals /a/ sind die einzelnen tonmarkierenden Systeme unten aufgeführt:
- Hoch: á oder ˥a
- Tief: à oder ˩a
- Mittel: ā oder ˧a
- Steigend: ǎ oder ˩˥a
- Fallend: â oder ˥˩a
- Steigend-fallend: a᷈ oder ˧˦˧a
Ihr seht, mit Tönen könnt ihr eine ganze Menge machen – sie sind spannend und vor allen Dingen ziemlich cool (um mal einen meiner ehemaligen Profs zu zitieren).
Wenn ihr also eure Conlang entwickelt, überlegt euch doch, eine Tonsprache daraus zu machen … 😉
Hier geht es weiter mit:
„Conlanging – Sprache schreiben“
2 Gedanken zu “Conlanging – Den richtigen Ton treffen”