Conlanging – Sprache schreiben

Beim Sprache entwickeln kommt man früher oder später an den Punkt, an dem man sich fragen muss: „Wie schreibe ich das denn jetzt am besten auf?“ Dabei geht es nicht darum, eine eigene Schrift zu entwickeln (darüber sprechen wir später noch einmal), sondern darum, eine möglichst genaue lautsprachliche Repräsentation der Sprache zu haben und darum, diese Sprache für den Leser ansprechend und verständlich zu machen. Ich habe für euch drei solcher Systeme, die mir so unter die Nase gekommen sind, zusammengestellt und evaluiert. Zu jedem System gebe ich euch ein Beispiel aus meiner eigenen Conlang, Arassyani, um das besser zu veranschaulichen, wie das dann im Endeffekt aussehen kann.

1. International Phonetic Alphabet (IPA)

Pro:

  • Universal, von jedem, der IPA kann, lesbar
  • Jeder Laut kann wiedergegeben werden / hat ein eigenes, spezifisches Zeichen
  • Auch individuelle Lautrealisierung in spezifischen Kontexten möglich

Con:

  • Die meisten Zeichen sind nicht auf der Tastatur zu finden, daher ist IPA schwierig zu tippen ohne spezielle Tools
  • Man muss sich erst einarbeiten und mit den einzelnen Lauten und ihren Symbolen vertraut werden

Fazit:

IPA ist super, wenn man die genaue Aussprache wiedergegeben möchte, da es für jeden sprachlichen Laut ein entsprechendes Zeichen gibt. Wem es allerdings darum geht, im Buch zwei Charaktere in einer Conlang sprechen zu lassen, sollte doch lieber zu einem der anderen hier beschriebenen Systeme greifen.
Ich empfehle daher IPA eher für eigene Notizen, oder wenn man Linguisten oder anderen Conlangern seine Sprache vorstellen möchte.

Beispiel aus Arassyanisch:

Beranaf ʃuθarʔu ɣupantarak.
„Beran stand schnell auf.“

 

2. Umschrift basierend auf Deutsch

Pro:

  • Lateinisches Alphabet, deutsche Buchstabenkombinationen (z.B. „sch“, „ch“, „tz“, …)
  • Für deutsche Leser leicht zu verstehen
  • Alle Zeichen, die man braucht, bereits auf Tastatur vorhanden

Con:

  • Kaum Repräsentationsmöglichkeiten für Laute, die nicht in der deutschen Sprache vorkommen (wie gibt man z.B. den Anfangslaut von „Jargon“ wieder?)
  • Im Deutschen steht „sch“ für einen eigenen Laut, ebenso wie „ng“ und „ch“. Wie kann zwischen „Hö-schen“ und „Hös-chen“ unterschieden werden? Zwischen „Eng-e“ und „En-ge“? Unklare Grenzen können zu ungenauer Aussprache führen

Fazit:

Deutschbasierte Umschrift ist machbar, wenn die Conlang lautlich sehr nah am Deutschen ist und auch mit dem Deutschen verwandt sein soll (oder zmd. ähnlich klingen soll). Weicht die Sprache lautlich jedoch zu stark vom Deutschen ab, kann es schwierig werden, diese im Deutschbasierten System akkurat darzustellen. Im schlimmsten Fall ist der Leser einfach nur verwirrt.
Ich empfehle Deutschbasiert daher nur, wenn die Sprache auch wirklich sehr nah am Deutschen dran ist – oder aber, wenn Nicht-Linguisten oder Nicht-Conlanger einige Sätze in dieser Sprache sprechen müssen (z.B. Schauspieler) und die Zeit fehlt, ihnen die Sprache und Aussprache anderweitig beizubringen.

(In der BBC-Serie Merlin durften einige Schauspieler ein paar Wörter oder Sätze auf Altenglisch sagen. Da das altenglische Schriftsystem sich doch stark vom modernen Englisch unterscheidet, bekamen die meisten Schauspieler deshalb ihren Text auf englischbasierter Umschrift)

Beispiel aus Arassyanisch:

Beranaf schu(?)ar(?)u chupantarak.
„Beran stand schnell auf.“

 

3. Eigene Umschrift

Pro:

  • Basiert auf dem lateinischen Alphabet, kann aber auch um Zeichen aus dem IPA ergänzt werden, wenn Bedarf besteht oder das so gewünscht wird.
  • Vollständig anpassbar an das Lautsystem der Conlang
  • Man kann eigene Buchstabenkombinationen für Laute entwickeln, die wir nicht im Deutschen haben (z.B. „zh“ für den Anfangslaut in „Jargon“ oder „dzh“ für den Anfangslaut in „Dschungel“)
  • Diakritika können ebenfalls eingesetzt werden

Con:

  • Man benötigt einen Ausspracheschlüssel für den Leser, um korrekte Aussprache zu gewährleisten

Fazit:

Möchte man dem Leser ein Gefühl dafür geben, wie sich die Sprache anhört, ohne dass er das gesamte IPA auswendig lernen muss, ist das vielleicht die beste Methode. Es erweckt außerdem den Eindruck, als handle es sich um die lateinische Umschrift einer nicht-lateinbasierten Schriftsprache (wie z.B. Pinyin im Chinesischen, Romaja im Koreanischen, lateinische Umschrift indischer Sprachen usw.).
Ich empfehle daher, eine eigene Umschrift zu entwickeln, wenn man die Conlang in erster Linie in einem Buch (o. Drehbuch) verwendet.

Beispiel aus dem Arassyanisch:

Beranaf shutharqu xhupantarak.
„Beran stand schnell auf.“

Ich selber habe innerhalb meiner BA IPA genutzt, weil sie von Linguisten gelesen wurde und ich so akkurate Aussprache gewährleisten konnte. Für Texte und Dialoge benutze ich allerdings meine eigene Umschrift, v.a. um meinen Schreibfluss nicht zu unterbrechen, weil ich Sonderzeichen suchen muss. Stattdessen nutze ich das, was meine Tastatur hergibt – auch Diakritika. Es war zu Beginn etwas schwierig, zu jedem Laut in meinem Lautinventar einen passenden lateinischen Buchstaben zu finden und in einigen Fällen musste ich mir Buchstabenkombinationen überlegen, die irgendwie Sinn ergaben. So wurde aus dem Anfangslaut /ʒ/ in „Jargon“ das „zh“.
Da ich meine Umschrift auf dem IPA basierte, gibt es im Arassyani kein „c“, ein Buchstabe, der gerne in der Fantasy anstelle eines „k“s verwendet wird. Der Laut /c/ ist im IPA ein ganz anderer Laut als /k/, weshalb ich mich gegen die Nutzung von „c“ entschieden habe, usw.

IPA, Deutschbasiert, oder Eigene Umschrift – wie das Schriftsystem aussieht, hängt ganz davon ab, wie die Sprache aufgebaut ist und wer sie lesen soll


Vom Umgang mit Diakritika und obskuren Buchstabenkombinationen

Klar, die Sprache soll vor allem fancy aussehen, weil man sie ja eher liest als ausspricht. Verstehe ich vollkommen. Aber Diakritika einfach wahllos und ohne Bedeutung auf Vokale und Konsonanten zu setzen, sieht nicht fancy aus, sondern zeugt eher von Unwissen. Keine mir bekannte natürliche Sprache (bzw. ihr Schriftsystem) verwendet Diakritika ohne sprachliche Bedeutung, nur damit sie „cooler“ aussieht. Das braucht sie nicht. Sie ist schon cool genug.
Einige Beispiele: Im Polnischen wird „z“ wie das stimmhafte /z/ ausgesprochen, also wie der Anfangslaut in „Suppe“. Setzt man auf „z“ einen Punkt (ż), spricht man den Buchstaben plötzlich wie /ʒ/ aus, dem Anfangslaut in „Jérôme“ oder „Journal“. Im Französischen markieren die Akzente auf den Vokalen ebenfalls Aussprache, dienen zur Unterscheidung von Homonymen (gleichlautenden Wörtern), oder zeigen an, dass im Altfranzösischen dem Vokal ein stummes „s“ folgte. Im Pinyin, der lateinbasierten Umschrift des Chinesischen, markieren die einzelnen Diakritika die verschiedenen Töne.

Deshalb gilt: Man sollte sich genau überlegen, was die exakte Funktion der einzelnen Diakritika innerhalb seiner Conlang ist, und sie auch nur entsprechend benutzen.

Verwendung von Diakritika in Arassyanisch:

Markierung von Futur am Verb:

Beranaf úpantarak.
„Beran wird aufstehen.“

Aber auch die Verwendung von überflüssigen Buchstaben lassen die Sprache nicht fantasievoller erscheinen, sondern führt im schlimmsten Fall dazu, dass sie unaussprechlich wirkt und keiner sich mehr die Mühe macht, die „kunstvoll“ gestalteten Namen auszusprechen. Beim Lesen entsteht dann im Kopf nur noch ein unverständliches Kauderwelsch. So fancy es auch aussehen mag, aus dem („gewöhnlicheren“) Namen „Luisa“ ein fantasievolleres „Louwyzha“ zu machen – wenn es keine sprachliche Begründung gibt für diese Schreibweise, sollte man es besser vermeiden. Zum Vergleich: Im Irischen wird „Saoirse“ wie „Sirsche“ ausgesprochen und „Samhain“ wie „Sauin“. Aber (ob mans glaubt oder nicht) dieser zufällig wirkenden Ansammlung von Buchstaben liegen tatsächlich phonologische Regeln zugrunde!

Wenn ihr also eure Sprache schreibt, denkt immer daran: Schriftsprache wurde von Menschen geschaffen, sie wurde mit dem Ziel erstellt, logisch und effektiv zu sein und alle Laute der Sprache darstellen zu können. Selbst was wir heute nicht mehr nachvollziehen können, hat vor hundert Jahren einmal Sinn ergeben und ist noch ein Überbleibsel von dem, was einst mal war.


Hier geht es weiter mit:
„Conlanging – Das Schriftsystem entwickeln“

 

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3 Gedanken zu “Conlanging – Sprache schreiben

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